8.2 Therapie der AML mit neuen Substanzen

Autor/en: U. Krug, H. Serve, C. Müller-Tidow, W.E. Berdel
Letzte Änderung: 01.07.2008
Inhaltsübersicht:

Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die aktuellen Entwicklungen in der Einführung neuer Substanzen in klinische Studien zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie.

Tab. 8.1: Wirkmechanismen neuerer Substanzen
WirkmechanismusZielstrukturSubstanz(en)Bemerkung
Inhibition von RezeptortyrosinkinasenFLT3SU11248, PKC412, CEP-701
Sorafenib
Unterschiedliche Affinität zu weiteren RTK
 c-kitImatinib, Dasatinib, NilotinibImatinib bei D816-Mutationen nicht aktiv
 VEGFR2SU5416, AZD2171Auch aktiv gegen c-kit und FLT3 (nur SU5416)
Antiangiogenese-Thalidomid, Lenalidomid-
Hemmung der Ras-
Signaltransduktion
FarnesyltransferaseTipifarnib-
 HMG-CoA-ReduktaseLovastatin-
 Ras-Membranbindungs-Trans, Trans-
Farnesylthiosalicylsäure
-
Hemmung des Raf/MEK/ERK-
Signaltransduktionsweges
RafSorafenibAffinität zu diversen RTK
 MEKPD184352, PD0325901, PD98059, ARRY-142886-
Hemmung des PI3K/Akt-
Signaltransduktionsweges
AktDeguelin, Perifosine-
 mTORRapamycin, Temsirolimus, Everolimus, AP23573-
Epigenetische Modulation der GenexpressionHiston-DeacetylaseValproinsäure, MGCD0103, MS-275, Voristat-
 DnmtDecitabine, Azacitidine-
 RXRBexarotene-
Proteasominhibition-Bortezomib-
P-Glykoprotein-Inhibition-Valspodar, Zosuquidar-
Apoptose-Induktion-Arsentrioxid-
 Bcl2G3139, HA14-1-
 XIAP1396-12-
Disruption der Tubulusformation und der ChromosomensegregationPolo-like Kinase 1BI2536-
 Aurora-KinaseMK0457Affinität zu diversen RTK
RTK: Rezeptortyrosinkinase

8.2.1 Rezeptortyrosinkinasen

Über Rezeptortyrosinkinasen (RTK) wird nach Bindung eines spezifischen Liganden eine Signalübertragungskaskade in einer Zelle in Gang gesetzt, welche häufig zu Zellproliferation und Geweberegeneration oder zur Hemmung des programmierten Zelltods führt und somit zum Überleben der betreffenden Zellen beiträgt. Der Mechanismus der Signalübertragung von RTK ist in Abbildung 8.2 dargestellt. Im folgenden Abschnitt sind Beispiele für aktivierte RTK mit möglicher pharmakologischer Inhibition aufgeführt. Die besprochenen RTK-Inhibitoren sind nach ihrer mutmaßlichen klinisch relevanten Wirkung geordnet. Ein möglicher klinischer Effekt kann aber auch durch die Inhibition weiterer RTK bedingt sein.

AML_8_Therapie_Abb_8-2.jpg

Abb. 8.2: Mögliche therapeutische Angriffspunkte zur Inhibition von Rezeptortyrosinkinasen und nachgeordneter Signaltransduktionswege bei AML. Schematisch dargestellt ist die physiologische Signalübertragung über eine Rezeptortyrosinkinase mit nachfolgender Signaltransduktion. Nach Bindung eines physiologischen Liganden kommt es zu einer Dimerisation der Rezeptortyrosinkinase mit nachfolgender Aktivierung mittels Autophosphorylierung. Dies setzt über Effektormoleküle wie z.B. Ras eine Phosphorylierungskaskade mit Aktivierung nachgeordneter Signaltransduktionswege wie z.B. den Raf/MAPK-, den JAK/STAT- und den PI3K/AKT-Signaltransduktionsweg in Gang. Im Fall aktivierender Mutationen, z.B. der Ras-Rezeptortyrosinkinasen, findet eine konstitutive Aktivierung dieser Signaltransduktionswege unabhängig von einer Ligandenbindung statt. Pfeilspitzen bezeichnen eine Aktivierung, Querbalken eine Hemmung. Weitere Erklärungen im Text. Akt Proteinkinase B; ERK Extracellular regulated kinase; FPP Farnesylpyrophosphat; FTI Farnesyltransferase-Inhibitor; FTS s-Trans,Trans-Farnesylthiosalicylsäure; GDP Guanosindiphosphat; GGPP Geranylgeranyl-Pyrophosphat; GG-Zielproteine geranygeranylierte Zielproteine; GTI Geranylgeranyltransferase-Inhibitor; GTP Guanosintriphosphat; HMG-CoA 3-hydroxy-3-methyl-glutaryl-Coenzym A; JAK Janus-Kinase; MEK MAPK/ERK-Kinase; MEK-I MEK-Inhibitor; mTOR Mammalian target of rapamycin; PI3K Phosphoinositid-3-Kinase; Raf Ras-activated factor; Ras Rat sarcoma protein; RTK Rezeptortyrosinkinase; RTKI Rezeptortyrosinkinase-Inhibitor; STAT Signal transducers and activators of transcription; TSC2 Tuberous sclerosis 2; F Farnesylierung; P Phosphorylierung

FLT3

Aktivierende Mutationen der FMS-like tyrosine kinase 3 (FLT3) mit internen Tandemduplikationen (ITD) oder Mutationen der Tyrosinkinasedomäne (TKD) können bei etwa 25% [Yokota S 1997] bzw. ungefähr 5-10% [Yamamoto Y 2001] aller AML nachgewiesen werden. Aktivierende FLT3-Mutationen transformieren Zellen in vitro als Hinweis für einen leukämogenen Effekt [Mizuki M 2000]. Patienten mit Nachweis einer aktivierenden FLT3-Mutation zeigen ein schlechteres Ansprechen auf eine Standardchemotherapie.

Das Indolderivat SU11248 (Sutent) ist ein unspezifischer Inhibitor folgender Tyrosinkinasen: Stammzellfaktorrezeptor (c-kit), Platelet-derived growth factor receptor (PDGFR) A und B, Vascular endothelial growth factor receptor (VEGFR) 1 und 2 und FLT3 (Wildtyp sowie FLT3-ITD und FLT3-TKD) [O’Farrell AM 2003]. Eine Phase-I-Studie testete 15 Patienten mit entweder refraktärer oder nicht intensiv behandelbarer AML. Es zeigte sich ein morphologisches oder partielles Ansprechen bei 6 Patienten, hierunter waren alle 4 Patienten mit einer FLT3-ITD-Mutation [Fiedler W 2005].

Ein weiterer Inhibitor mit einem breiten Spektrum gegen eine Vielzahl von RTK ist PKC412. Initial als Inhibitor gegen die Proteinkinase C entwickelt, zeigt diese Substanz auch eine starke inhibitorische Wirkung gegen VEGFR-2, c-kit, PDGFR-A und B sowie die aktivierenden FLT3-Mutationen FLT-ITD und FLT3-TKD [Weisberg E 2002]. Bei 20 Patienten mit rezidivierter, refraktärer oder nicht intensiv behandelbarer AML mit aktivierenden FLT3-Mutationen (18 FLT3-ITD, 2 FLT3-TKD) zeigten sich nach einer Behandlung mit PKC412 eine partielle Remission (PR) und 7 Fälle mit einer Blastenreduktion von mehr als 2 log-Stufen, welche über mindestens 4 Wochen anhielt [Stone RM 2005b]. In einer Folgestudie wurden verschiedene Dosierungen der Substanz mit einer Standardinduktionstherapie bei 49 Patienten mit neu diagnostizierter, unbehandelter AML kombiniert [Stone RM 2005a]. Hier zeigte sich bei einer Gesamtrate an kompletten Remissionen (Complete remission, CR) von 70% eine höhere CR-Rate bei Patienten mit mutiertem FLT3 (91% vs. 53%; p=0,033).

Ein spezifischer Inhibitor gegen Wildtyp-FLT3 und FLT3-ITD ist CEP-701 (Lestaurtinib) [Levis M 2002]. In einer Phase-I-Studie an 14 Patienten mit fortgeschrittener AML (refraktär, rezidiviert oder nicht intensiv behandelbar) und aktivierenden FLT3-Mutationen (13 mit FLT3-ITD, einer mit FLT3-TKD) zeigten 5 Patienten mit FLT3-ITD ein klinisches Ansprechen auf eine Monotherapie [Smith BD 2004]. In einer randomisierten Studie wird CEP-701 mit einer Salvage-Chemotherapie bei Patienten mit rezidivierter AML und aktivierenden FLT3-Mutationen evaluiert. Eine Zwischenauswertung nach Behandlung von 17 Patienten in jedem Arm zeigte 5 CR, 3 CR mit fehlender Thrombozytenregeneration (CRp) und 2 PR im Kombinationsarm vs. 2 CR und 2 CRp im Chemotherapiearm [Levis M 2005].

Eine Reihe weiterer in vitro wirksamer FLT3-Inhibitoren sind bis heute identifiziert; Studien über die klinische Wirksamkeit werden erwartet.

c-kit

Eine weitere RTK mit einer häufigen Frequenz aktivierender Mutationen bei AML ist der Stammzellfaktorrezeptor c-kit (CD117). Aktivierende Mutationen betreffen entweder die TKD an der Aminosäureposition D816 oder die extrazelluläre (EC) oder transmembranöse (TM) Domäne und treten insbesondere bei AML mit Fusionsproteinen unter Beteiligung des Core binding factor (CBF) auf [Care RS 2003].

Imatinib (STI571 ), ursprünglich als Inhibitor der Abelson-Tyrosinkinase bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) entwickelt, inhibiert ebenfalls PDGFR A und B sowie c-kit , im letzteren Fall allerdings nicht die bei der AML vorherrschende Mutation D816 [Cammenga J 2005]. In Übereinstimmung mit den In-vitro-Daten zeigten die bisher 3 publizierten Fälle von AML-Patienten mit aktivierenden c-kit-Mutationen, welche mit Imatinib behandelt wurden, kein Ansprechen bei den beiden Patienten mit einer D816-Mutation und ein geringes Ansprechen mit einem temporärem Anstieg der Neutrophilenzahl und einer vorübergehenden Regredienz eines extramedullären Tumors bei einem Patienten mit einer EC-Mutation [Cairoli R 2005]. Zwei weitere Einzelfälle von AML-Patienten mit c-kit-Überexpression und einer CR nach Behandlung mit Imatinib [Kindler T 2003] [Schittenhelm M 2003] sowie eine Studie an 27 Patienten mit fortgeschrittener AML und c-kit-Überexpression [Kindler T 2004] sind bisher publiziert. In dieser Studie erreichten 2 Patienten eine CR und einer eine CRp sowie 2 ein geringes Ansprechen, allerdings fehlt bei diesen Patienten eine Information über das Vorhandensein einer c-kit-Mutation.

Inzwischen wurden eine Reihe von Nachfolgesubstanzen mit Inhibition von D816-mutiertem c-kit in vitro entwickelt. Daten zum klinischen Ansprechen dieser Substanzen bei AML-Patienten mit c-kit-Mutationen sind allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt.

In seltenen Fällen findet sich auch bei AML ein Philadelphia-Chromosom mit Expression eines BCR-ABL-Fusionsproteins. Zwei Patienten mit Philadelphia-positiver AML sind bis jetzt mit einer Kombination aus Chemotherapie und Imatinib behandelt worden; beide erreichten darunter eine molekulare Remission [Jentsch-Ullrich K 2004] [Viniou NA 2004]. Weiterhin wurde kürzlich eine Serie von 7 Patienten mit sekundärer AML nach chronischer Eosinophilenleukämie mit Nachweis des FIP1L1-PGDFRA-Fusionstranskripts vorgestellt, welche alle unter Imatinib entweder als Monotherapie oder in Kombination mit einer Chemotherapie eine molekulare Remission erreichten [Reiter A 2007].

Analog hierzu bietet sich natürlich an, bei Patienten mit sekundärer AML nach einem myeloproliferativen Syndrom mit Nachweis einer JAK2-V617F-Mutation die JAK2-Kinase-Aktivität spezifisch zu inhibieren, z.B. mit MK0457. Daten hierzu liegen allerdings zurzeit noch nicht vor.

VEGF-Rezeptor 2

Sowohl der proangiogene Wachstumsfaktor VEGF als auch der Rezeptor VEGFR 2 wird von AML-Blasten überexprimiert [Padro T 2002]. Weiterhin zeigt Knochenmark mit einer Infiltration durch AML-Blasten eine erhöhte Mikrogefäßdichte [Padro T 2000]. Diese korreliert mit der VEGFR-2-Expression [Padro T 2002], und das Ansprechen auf die Chemotherapie korreliert mit einer Abnahme der Mikrogefäßdichte [Padro T 2000]. VEGF stimuliert über den VEGFR 2 parakrin und autokrin die Proliferation und Migration von AML-Blasten [Dias S 2000].

SU5416 ist ein unspezifischer Inhibitor der RTK c-kit, FLT3 sowie VEGFR-1 und -2. Wir beobachteten eine stabile CR bei einem Patienten mit refraktärer AML nach Einleitung einer Behandlung mit SU5416 [Mesters RM 2001]. Aufgrund dieser Beobachtung führten wir eine Phase-II-Studie bei 42 Patienten mit fortgeschrittener AML durch; hier beobachteten wir eine weitere CR und 7 PR [Fiedler W 2003]. Die beobachtete Korrelation des Ansprechens mit der Expression von VEGF und VEGFR 2 legt nahe, dass der klinische Effekt zumindest teilweise über den VEGFR-2-Signalweg vermittelt wird. AZD2171, ein hochselektiver Inhibitor von VEGFR-1, -2 und -3 sowie c-kit, zeigte eine inkomplette CR und 4 PR in einer laufenden Phase-I-Studie an 35 Patienten mit fortgeschrittener AML [Fiedler W 2007].

8.2.2 Thalidomid

Thalidomid zeigt im Mausmodell antiangiogene Effekte [D’Amato RJ 1994] sowie eine durchgreifende antitumorale Wirkung beim multiplen Myelom [Singhal S 1999]. In einer Phase-I/II-Studie beobachteten wir bei Tagesdosen zwischen 200 und 400 mg bei 20 Patienten mit refraktärer oder nicht intensiv behandelbarer AML 4 PR und eine Blutbildverbesserung [Steins MB 2002]. Die Patienten mit klinischem Ansprechen zeigten einen Abfall der Mikrogefäßdichte im Knochenmark. In einer randomisierten Studie an 73 Patienten konnte eine Kombination aus Induktionschemotherapie und Thalidomid jedoch keine Verbesserung des Krankheitsverlaufs im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie bei Patienten mit Hochrisiko-AML oder myelodysplastischem Syndrom erzielen [Cortes J 2003]. In einer weiteren Phase-II-Studie mit 16 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML wurde eine CR beobachtet [Thomas DA 2003]. In dieser Studie zeigten sich dosislimitierende Toxizitäten in Dosen von >400 mg/Tag. Inwieweit neuere Thalidomidanaloga wie z.B. Lenalidomid eine bessere Wirksamkeit oder Verträglichkeit bei AML-Patienten zeigen, muss in klinischen Studien überprüft werden.

8.2.3 Hemmung RTK-aktivierter Signalwege

Ras

Bei den Ras-Proteinen handelt es sich um Schlüsselproteine im Signalübertragungsweg von RTK (s. Abb. 8.2). Darüber hinaus sind Ras-Proteine in etwa 30% aller AML-Fälle durch aktivierende Mutationen konstitutiv aktiviert [Reuter CW 2000] und wirken so auch ohne Bindung eines Liganden an RTK antiapoptotisch und proliferationsstimulierend. Unabdingbar für eine erfolgreiche Signalübertragung über Ras-Proteine ist die korrekte Lokalisation dieser Proteine an der inneren Plasmamembran in unmittelbarer Nähe zur intrazellulären Domäne von RTK (s. Abb. 8.2). Die Translokation der Ras-Proteine vom Ort ihrer Synthese, dem endoplasmatischen Retikulum, zur inneren Plasmamembran wird durch eine Reihe von posttranslationalen Modifikationen vermittelt, welche die Lipophilie und so die Affinität zur Zellmembran erhöhen (s. Abb. 8.2). Die erste und kritische dieser posttranslationalen Modifikationen wird durch Farnesyltransferasen katalysiert (s. Abb. 8.2). Eine Hemmung der Farnesyltransferase kann über Hemmung der Translokation der Ras-Proteine eine Hemmung der Ras-vermittelten Signalübertragungen bewirken.

Tipifarnib ist ein oral verabreichbarer Farnesyltransferase-Inhibitor. Aufgrund vielversprechender Ergebnisse in frühen klinischen Studien [Karp JE 2001] wurde Tipifarnib in einer kürzlich vorgestellten Phase-III-Studie randomisiert in 457 nicht intensiv behandelbaren Patienten >70 Jahren mit AML versus beste Supportivtherapie (inkl. Hydroxyurea) verglichen, hier zeigte sich kein Unterschied im Gesamtüberleben [Harousseau J-L 2003].

Die Substanz s-Trans,Trans-Farnesylthiosalicylsäure (FTS) ist ein kompetitiver Inhibitor der Membranbindung von farnesyliertem Ras. In einer noch laufenden Phase-I-Studie mit einer Monotherapie dieser Substanz bei fortgeschrittenen malignen hämatologischen Erkrankungen wurden bisher 6 Patienten mit AML in verschiedenen Dosisstufen behandelt, wobei es zu 2 hämatologischen Verbesserungen kam.

Mevalonatstoffwechsel

Das Ko-Substrat der Farnesyltransferase, Farnesylpyrophosphat (FPP), entsteht durch Metabolisierung aus Mevalonat, einem Produkt der 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-CoA-(HMG-CoA-)Reduktase (s. Abb. 8.2), welche außerdem das Schlüsselenzym der Cholesterinsynthese darstellt. Statine sind etablierte HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren zur Behandlung der Hypercholesterinämie, einem Risikofaktor für kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität [Farmer JA 2000]. Statine wirken spezifisch in leukämischen Zellen proapoptotisch, wobei nicht maligne hämatopoetische Zellen nicht beeinflusst werden [Newman A 1994]. Diese Wirkung ist allerdings nicht durch die Depletion von FPP, sondern eher durch einen Mangel an Geranylgeranylpyrophosphat (GGPP) bedingt, da eine durch Lovastatin induzierte Apoptose in leukämischen Blasten durch Inkubation mit GGPP komplett, durch FPP aber nur teilweise verhindert werden kann [Xia Z 2001]. GGPP entsteht durch weitere Metabolisierung von FPP (s. Abb. 8.2). Eine Geranylgeranylierung tritt bei etwa 1% aller intrazellulären Proteine auf [Prendergast GC 2000]. Es konnte gezeigt werden, dass zusätzlich die Reduktion der Phosphorylierung von ERK1/2 innerhalb des Raf/MEK/ERK-Signaltransduktionsweges an der durch Lovastatin induzierten Apoptose beteiligt ist [Wu J 2004]. Zusätzlich zu diesen Beobachtungen zeigte eine Behandlung von leukämischen Blasten mit Lovastatin und dem MEK1-Inhibitor PD98059 einen synergistischen Effekt auf die Induktion der Apoptose, sodass bei einer Kombination aus einem Statin und Inhibitoren des Raf/MEK/ERK-Signaltransduktionsweges ein möglicher klinischer Nutzen denkbar ist.

Auch die Hemmung von Geranylgeranyltransferasen (GGT) ist möglicherweise klinisch nutzbar, da eine Behandlung von leukämischen Zelllinien mit GGT-Inhibitoren (GTI) ebenfalls apoptoseinduzierend wirkt und die Ko-Inkubation mit FTI und GTI in leukämischen Blasten eine synergistische Wirkung entfaltet [Morgan MA 2003].

Raf/MEK/ERK

Wie in Abbildung 8.2 gezeigt, wird der Raf/MEK/ERK-Signaltransduktionsweg als Antwort auf eine Aktivierung von RTK über Ras aktiviert. Dieser Signaltransduktionsweg zeigt bei der Mehrheit der untersuchten AML eine Aktivierung [Towatari M 1997].

Eine Hemmung dieses Signaltransduktionsweges ist theoretisch auf vielen Ebenen möglich. Mit Sorafenib (BAY 43-9006) wurde ein hochaffiner, oral zu applizierender und gut verträglicher Raf-Inhibitor identifiziert. Das Molekül inhibiert zusätzlich Subtypen der VEGF-Rezeptor-Familie, den PDGF-Rezeptor, FLT3 und c-kit. Präklinische Daten lassen allerdings vermuten, dass die Wirkung dieser Substanz in leukämischen Blasten zumindest teilweise über eine Hemmung von FLT3 vermittelt wird. In einer noch laufenden Phase-I-Studie wurden bisher 15 Patienten auf den Dosisstufen 1 und 2 behandelt; hier zeigte sich ein vorübergehendes Ansprechen bei 6 Patienten, alle mit einer FLT3-ITD. Patienten mit unmutiertem FLT zeigten bisher kein Ansprechen auf diese Substanz [Quintas-Cardama A 2007]. Phase-II- und III-Studien zum Einsatz von Sorafenib in Kombination mit einer zytotoxischen Chemotherapie in der Behandlung der AML sind zurzeit aktiv.

Mögliche weitere Ansatzpunkte zur Hemmung dieses Signaltransduktionsweges ist die Inhibition weiter abwärts in dieser Signalkette liegender Proteine. Diverse selektive MAPK/ERK-Kinase-(MEK-)Inhibitoren (PD184352, PD0325901, ARRY-142886) befinden sich zurzeit bei verschiedenen Tumorentitäten in der klinischen Prüfung, und die Inhibitoren PD98059 und PD184352 zeigen eine Wachstumshemmung sowie eine Apoptose-Induktion leukämischer Blasten in vitro [Carter BZ 2003].

PI3K/Akt

Auch dieser Signaltransduktionsweg zeigt bei der Mehrzahl der AML-Patienten eine Aktivierung [Grandage VL 2005]. Die prognostische Bedeutung einer solchen Aktivierung ist unklar, da sie in einer Studie mit einer ungünstigen [Grandage VL 2005], in einer weiteren Studie jedoch mit einer günstigen Prognose korrelierte [Tamburini J 2006].

Unter den PI3K-Isoformen konnte insbesondere für die 110delta-Isoform eine konsistente Aktivierung in AML-Blasten nachgewiesen werden [Sujobert P 2005]. IC87114, ein spezifischer Inhibitor dieser Isoform, zeigt in leukämischen Blasten eine deutliche Wachstumsinhibition und eine Apoptose-Induktion, wobei diese Effekte in normalen hämatopoetischen Zellen nicht beobachtet wurden [Sujobert P 2005].

Eine Vielzahl von Akt-Inhibitoren sind bereits entwickelt. Von diesen sind Daten bezüglich der Aktivität in AML-Zellen bisher jedoch dürftig. Eine Effektivität in ausgewählten AML-Zelllinien wurde bisher nur für die beiden Substanzen Deguelin und Perifosine demonstriert [Bortul R 2005] [Dai Y 2005].

Eine durch diesen Signaltransduktionsweg aktivierte Kinase ist Mammalian target of rapamycin (mTOR), welche nach Aktivierung eine Serie von wachstums- und proliferationsfördernden Prozessen in Gang setzt, u.a. durch Zellzyklusprogression im G1/S-Checkpoint und durch Transkriptionsinitiierung [Schmelzle T 2000]. mTOR wird durch Akt direkt und indirekt aktiviert (vereinfacht dargestellt in Abb. 8.2). Die Inhibition durch Rapamycin oder Analoga führt zu einem Zellzyklusarrest in der G1-Phase und zur Apoptose-Induktion [Hidalgo M 2000]. Während der Gabe von Rapamycin wurden bei 9 Patienten mit fortgeschrittener AML 4 PR beobachtet [Recher C 2005]. Weitere mTOR-Inhibitoren wie CCI-779 (Temsirolimus), RAD001 (Everolimus) und AP23573 befinden sich zurzeit bei verschiedenen Tumorerkrankungen in der klinischen Prüfung.

Weitere Signaltransduktionswege

Weitere Signaltransduktionswege, welche eine Aktivierung bei AML zeigen und deren Aktivierung z.T. transformierend wirkt, sind der JAK/STAT- [Spiekermann K 2002] und der wnt/ß-catenin-Signaltransduktionsweg [Simon M 2005]. Auch hier bietet sich grundsätzlich eine molekulare Inhibition an.

8.2.4 Epigenetische Modulation der Genexpression

Histonacetylierung

Ein epigenetischer Mechanismus zur Regulation der Genexpression ist die Lysinacetylierung von Histonen [Craddock C 2005]. Die Acetylierung von bestimmten Lysinen, katalysiert durch Histon-Acetyltransferasen (HAT), führt zu einer Konformationsänderung der Histon-DNA-Komplexe. Dadurch werden Promotorsequenzen für Transaktivatorkomplexe besser zugänglich, und die Transkription der entsprechenden Gene wird aktiviert. Der umgekehrte Prozess der Deacetylierung wird durch Histon-Deacetylasen (HDAC) vermittelt; dieser führt über eine dichtere Struktur des Histon-DNA-Komplexes zur Repression der Transkription.

Für AML mit definierten Fusionsproteinen wie der akuten Promyelozytenleukämie mit Expression des PML-RARα- oder des PLZF-RARα-Fusionsproteins oder den CBF-Leukämien mit Expression des AML1-ETO- oder des CBFβ-MYH11-Fusionsproteins konnte eine aberrante Histon-Deacetylierung gezeigt werden [Minucci S 2001]. Eine Hemmung dieser aberranten Histon-Deacetylierung durch HDAC-Inhibitoren induziert eine terminale Differenzierung sowie Apoptose und Proliferationshemmung in diesen Zellen.

Valproinsäure, eine zugelassene Substanz zur Behandlung der Grand-mal-Epilepsie, zeigt eine starke HDAC-inhibitorische Wirkung [Gottlicher M 2001]. Die Behandlung von primären leukämischen Blasten mit Valproinsäure führt insbesondere in Kombination mit dem Retinoidsäurerezeptor-(RAR-)α-Agonisten All-trans-Retinsäure (ATRA) zu einer ausgeprägten Differenzierungsinduktion, unabhängig vom Vorkommen der genannten Fusionsproteine in diesen Blasten [Gottlicher M 2001]. Im Rahmen vorläufiger Ergebnisse konnten durch Valproinsäure in Kombination mit ATRA bei 20 Patienten mit fortgeschrittener AML eine CR und 2 PR beobachtet werden [Craddock C 2005]. Eine Kombination von Valproinsäure mit dem Methylierungsinhibitor Decitabine (s. unten) führte bei 54 Patienten mit fortgeschrittener AML zu 10 CR und 2 CRp [Garcia-Manero G 2006b]. Eine Kombination aus Valproinsäure, ATRA und dem Methylierungsinhibitor Azacytidine (s. unten) bedingte bei 31 Patienten mit fortgeschrittener AML oder fortgeschrittenem myelodysplastischen Syndrom MDS (>10% Blasten im Knochenmark) 9 CR und 3 CRp [Soriano AO 2006]. Aufgrund dieser Ergebnisse wurden verschiedene Phase-II/III-Studien zur Behandlung der AML mit Valproinsäure mit oder ohne ATRA initiiert.

Bei der Substanz MGCD0103 handelt es sich ebenfalls um einen potenten HDAC-Inhibitor. In Phase-I-Studien konnten im Rahmen einer Monotherapie bei 20 Patienten mit fortgeschrittener AML oder myelodysplastischem Syndrom 3 CR demonstriert werden [Garcia-Manero G 2006a]. In Kombination mit Azacytidine zeigten sich bei 24 Patienten mit fortgeschrittener AML oder myelodysplastischem Syndrom 3 CR, 2 PR und 3 inkomplette CR (CRi) mit entweder fehlender Regeneration der Thrombozyten oder der Neutrophilen [Garcia-Manero G 2007]. Ein ähnlicher Ansatz wird mit der Kombination aus Azacytidine und dem HDAC-Inhibitor MS-275 verfolgt. MS-275 besitzt eine sehr lange biologische Halbwertszeit von >50 Stunden. In einer Phase-I-Stude zeigten sich bei 27 Patienten mit fortgeschrittener AML oder myelodysplastischem Syndrom 2 CR und 4 PR [Gore SD 2006]. Dieser Ansatz wird zurzeit in einer multizentrischen Phase-II-Studie randomisiert (Azacytidine mit oder ohne MS-275 bzw. Placebo) getestet (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00313586).

Auch die Kombination von HDAC-Inhibitoren mit Topoisomerase-II-Inhibitoren zeigt präklinisch einen synergistischen Effekt auf leukämische Blasten. In einer Phase-I-Studie wurde der HDAC-Inhibitor Vorinostat (SAHA) in Kombination mit Idarubicin bei Patienten mit fortgeschrittener AML getestet. Die Dosisfindung ist noch nicht abgeschlossen. Nach Einschluss von 20 Patienten zeigten sich bisher 2 CR und 2 Fälle einer Reduktion der Blasten im Knochenmark auf <5% [Kadia TM 2007].

Methylierung

Der Methylierungsstatus von sog. CpG-Islands, d.h. eines Cytosinmoleküls innerhalb einer CG-Basensequenz, in Promotorsequenzen stellt einen weiteren wichtigen epigenetischen Mechanismus der Genregulation dar [Robertson KD 2005]. Die Methylierung dieser CpG-Islands wird durch DNA-Methyltransferasen (DNMT) katalysiert. Durch eine Methylierung wird die Expression des betreffenden Zielgens inhibiert. Eine aberrante Hypermethylierung von Promotorabschnitten ließ sich bei einer Vielzahl von malignen Erkrankungen inklusive der AML nachweisen [Claus R 2005].

Zwei hypomethylierende Substanzen haben Eingang in klinische Studien zur Behandlung der AML gefunden: 5-aza-deoxycitidine (Decitabine) und 5-aza-cytidine (Azacytidine). Bei beiden Substanzen handelt es sich um Cytosinanaloga, welche in niedriger Konzentration eine starke inhibitorische Wirkung auf DNMT zeigen. In höheren Konzentrationen wirken diese Substanzen über Einbau in DNA-Abschnitte und Kettenabbrüche - ähnlich des Wirkmechanismus anderer Purinanaloga wie z.B. Cytarabin - zusätzlich zytotoxisch [Kaminskas E 2005].

In einer Pilotstudie zu Decitabine konnten bei 10 Patienten mit bisher unbehandelter Hochrisiko-AML 3 CR und eine PR bei guter Verträglichkeit beobachtet werden [Petti MC 1993]. Weiterhin kombinierte eine EORTC-Studie bei 63 Patienten mit fortgeschrittener AML Decitabine mit entweder Idarubicin oder Amsacrin [Willemze R 1997]. Hierbei konnten 23 CR erreicht werden, wobei diese CR-Rate von 36,5% wie auch das Nebenwirkungsprofil mit anderen Rezidivchemotherapien mit hochdosiertem Cytarabin vergleichbar ist. Eine Kombination von Decitabine mit einer etablierten Chemotherapie wurde in einer sehr kleinen Studie mit 8 Patienten mit bisher unbehandelter AML untersucht. Dabei erreichten alle 6 evaluierbaren Patienten eine CR [Schwartsmann G 1997].

Alle diese Studien setzten Decitabine in einer hohen, zytotoxisch wirksamen Dosis ein. Nach der Erkenntnis, dass Decitabine in niedrigeren Konzentrationen hypomethylierend wirkt, wurde es niedrigdosiert zur Behandlung von myelodysplastischen Syndromen mit hohem Risiko in 3 Phase-II-Studien getestet [Wijermans PW 2005]. Eine Metaanalyse dieser Studien ergab bei 177 Patienten eine Ansprechrate von 49%. Daraufhin wurden Phase-II-Studien zur Behandlung älterer, nicht intensiv behandelbarer Patienten mit AML initiiert, welche bei 155 Patienten eine CR- und eine PR-Rate von 15% und 10% ergaben [Lübbert M 2007].

Die zweite hypomethylierende Substanz, Azacytidine, ist für die Behandlung des myelodysplastischen Syndroms zugelassen [Kaminskas E 2005]. Die Zulassung beruht auf den Ergebnissen einer randomisierten Studie mit 191 Patienten, welche eine niedrigdosierte Azacytidinebehandlung mit "Best supportive care" verglich [Silverman LR 2002]. Hierbei fanden sich 23% CR oder PR und 37% hämatologische Verbesserungen mit Reduktion der Transfusionsfrequenz im Therapiearm vs. 0% bzw. 5% im Best-supportive-care-Arm. In einer kleinen, älteren Studie mit 11 Patienten mit fortgeschrittener AML konnte jedoch kein Ansprechen auf niedrigdosiertes Azacytidine beobachtet werden [Lee EJ 1990]. In einer kürzlich publizierten Studie ließ sich aber bei 108 Patienten mit größtenteils fortgeschrittener AML ein Effekt mit CR in 13% und PR in 30% beobachten [Fabre C 2007].

Differenzierungsinduktion durch Retinoide

Bei der akuten Promyelozytenleukämie (APL) mit dem PML-RARα-Fusionsprotein bewirkt die Behandlung mit ATRA eine terminale Differenzierung der Zellen des malignen Klons. Auch wenn sich präklinisch eine zumindest partielle Differenzierungsinduktion von Zelllinien oder leukämischen Blasten von Nicht-APL-Leukämien zeigt, geht dies nicht mit einer relevanten klinischen Differenzierungsinduktion einher.

Für die korrekte Funktion und Differenzierungsinduktion des RARα-Proteins ist zum einen die Bindung eines Liganden (physiologisches oder pharmakologisches Retinoid) und zum anderen eine Heterodimerisation mit einem Retinoid-X-Rezeptor (RXR) erforderlich. Auch wenn die physiologischen Liganden des RXR bisher nicht bekannt sind, wurden pharmakologische Agonisten des RXR identifiziert, welche in Kombination mit Liganden für RARα einen synergistischen Effekt auf die Differenzierungsinduktion zeigen. Diese RXR-Agonisten bewirken auch als Monotherapie eine In-vitro-Differenzierungsinduktion der Nicht-APL-Blasten.

Für Bexarotene, einem pharmakologisch hochpotenten RXR-Liganden, konnte auch ohne die Ko-Inkubation mit RARα-Liganden eine Differenzierungsinduktion in leukämischen Nicht-APL-Blasten demonstriert werden [Kizaki M 1996]. In einer Phase-1-Studie an 27 Patienten mit fortgeschrittener AML zeigte sich bei 4 Patienten ein Abfall der leukämischen Blasten im Knochenmark auf <5%, bei 7 Patienten eine hämatologische Verbesserung der Neutrophilen (HI-N) und bei 5 Patienten eine hämatologische Verbesserung der Thrombozyten (HI-P) [Tsai DE 2007].

Proteasominhibition

Das Proteasom ist ein Multienzymkomplex, in welchem der Abbau intrazellulärer Proteine reguliert wird. Eine pharmakologische Hemmung des Proteasoms führt zu einer unkontrollierten toxischen Akkumulation intrazellulärer Proteine, was dosisabhängig im programmierten Zelltod resultiert.

Ein möglicher therapeutischer Effekt einer Proteasominhibition bei AML resultiert aus der Beobachtung, dass eine Inhibition des Proteasoms durch MG-132 wesentlich toxischer auf leukämische Blasten wirkt als auf nichtmaligne CD34-positive Stammzellen [Soligo D 2001]. Bortezomib ist zur Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen. Bei akuten Leukämien wurden bisher 2 Dosiseskalationsstudien mit Bortezomib publiziert. Bei 15 Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung (11 AML, eine akute lymphatische Leukämie, 3 myelodysplastische Syndrome) betrug die maximal tolerierte Dosis im Rahmen einer Monotherapie 1,25 mg/m2KOF [Cortes J 2004]. Von 7 Patienten, welche in dieser Eskalationsstufe behandelt wurden, zeigten 2 ein Ansprechen auf die Therapie, allerdings ohne Erfüllung der Kriterien für eine CR oder PR. In einer zweiten Studie wurde Bortezomib bei verschiedenen malignen hämatologischen Erkrankungen mit pegyliertem liposomalen Doxorubicin kombiniert [Orlowski RZ 2005]; hier wurden allerdings nur 5 Patienten mit fortgeschrittener AML eingebracht, wobei 2 PR zu beobachten waren.

8.2.5 Modulation der Multi drug resistance

P-Glykoprotein (P-gp) ist Mitglied einer Familie von Exportproteinen und vermittelt einen effektiven Transport von zytotoxischen Substanzen aus dem Zytoplasma von malignen Zellen. Die Expression von P-gp korreliert bei unbehandelter AML negativ mit dem Überleben [Pirker R 1991].

Unter anderem konnte der Calcineurinantagonist Ciclosporin A (CsA) als Inhibitor für P-gp identifiziert werden.

Bei der Substanz Valspodar (PSC833) handelt es sich um ein CsA-Analog mit höherer Affinität zu P-gp und fehlenden immunmodulierenden Eigenschaften. Aufgrund ermutigender Ergebnisse in Phase-II-Studien wurden insgesamt 3 randomisierte Phase-III-Studien mit Chemotherapie mit oder ohne Valspodar publiziert, mit allerdings insgesamt enttäuschenden Ergebnissen: Eine Studie mit einer Induktionstherapie mit Cytarabin, Daunorubicin und Etoposid mit oder ohne Valspodar bei älteren, unbehandelten AML-Patienten (>60 Jahre) musste aufgrund einer Exzessmortalität im Valspodararm nach Rekrutierung von 120 Patienten geschlossen werden [Baer MR 2002]. In einer Studie mit 126 Patienten mit fortgeschrittener AML oder myelodysplastischem Syndrom mit hohem Risiko und einer Behandlung mit einer Salvage-Chemotherapie mit Cytarabin, Mitoxantron und Etoposid mit oder ohne Valspodar zeigte sich kein signifikanter Unterschied bezüglich der Endpunkte "CR-Rate" und "Gesamtüberleben" [Greenberg PL 2004]. Auch die größte Studie mit 419 Patienten im Alter von >60 Jahren mit unbehandelter AML zeigte keinen signifikanten Unterschied durch die Addition von Valspodar im Vergleich zu einer Standardinduktionstherapie mit Cytarabin und Daunorubicin bezüglich CR-Rate, 5-Jahres-Überleben, krankheitsfreiem Überleben oder Gesamtüberleben [van der Holt B 2005]. Zu erwähnen ist noch, dass in der letztgenannten Studie auch in der Untergruppe der P-gp-positiven Patienten kein positiver Effekt der Addition von Valspodar gezeigt werden konnte und dass diese jeweilige Untergruppe in den beiden vorgenannten Studien zu klein für eine sinnvolle Auswertung war. In allen 3 Studien wurde im Valspodararm als Kompensation des durch die P-gp-Inhibition induzierten erniedrigten Zytostatikatransportes aus gesunden Zellen die Chemotherapie dosisreduziert verabreicht. Aufgrund dessen ist eine Zytostatikaunterdosierung als Ursache der enttäuschenden Ergebnisse denkbar.

Allerdings erbrachte auch die placebokontrollierte Kombination einer Standard-Induktionschemotherapie mit Zosuquidar, einem modernen hochselektiven P-gd-Inhibitor mit schwächer ausgeprägter Anthrazyklin-Clearance ohne die Notwendigkeit einer Dosisreduktion, keinen Unterschied bezüglich der Zielgröße "Gesamtüberleben" (442 Patienten im Alter von >60 Jahren mit AML) [Cripe LD 2006].

8.2.6 Apoptose-Induktion

Die Regulation des programmierten Zelltodes steht unter enger Kontrolle von Regulatorproteinen wie u.a. der Bcl2-Familie oder des p53-Regelkreises. Ein Charakteristikum maligner Zellen ist die Dysregulation des apoptotischen Regelkreises mit defekter Apoptose-Induktion, z.B. infolge einer Schädigung der DNA. Für die AML konnte eine Unterbrechung des regelrechten extrinsischen oder intrinsischen apoptotischen Regelkreises in 79% der untersuchten Blasten demonstriert werden [Schimmer AD 2003].

Der zurzeit am besten charakterisierte antiapoptotische Regulator ist Bcl2, welcher einer ganzen Familie von antiapoptotischen Regulatoren angehört, der Bcl2-Familie. Für Bcl2 wurde eine Überexpression in einer Vielzahl von B-Zell-Neoplasien und soliden Tumoren nachgewiesen [Kim R 2004]. Bei der AML korreliert eine hohe Bcl2-Expression mit einer schlechten Prognose [Campos L 1993]. G3139 (Oblimersen, Genasense), ein Bcl2-Antisense-Oligonukleotid, welches zu einer Herunterregulation der Bcl2-Expression führt, wurde bereits bei einer Vielzahl von malignen lymphatischen Erkrankungen getestet. Eine große randomisierte Phase-III-Studie mit einer Standard-Induktions- und Konsolidationstherapie mit oder ohne G3139 bei 503 Patienten im Alter von >60 Jahren mit unbehandelter AML konnte allerdings keinen Vorteil der Kombination mit G3139 bezüglich des ereignisfreien oder des Gesamtüberlebens zeigen [Marcucci G 2007].

Mit dem Molekül HA14-1 steht inzwischen ein kleinmolekularer Bcl2-Inhibitor zur Verfügung, bei dem In-vitro-Untersuchungen eine Apoptose-Induktion in leukämischen Blasten zeigten [Lickliter JD 2003].

Auch für Survivin und für den X-linked inhitibor of apoptosis (XIAP), 2 Mitglieder der Inhibitor-of-apoptosis-(IAP-)Familie, konnte durch Inhibition eine Apoptose-Induktion in leukämischen Blasten demonstriert werden [Carter BZ 2003, 2005]. Für XIAP existiert ein kleiner Inhibitor, welcher im Prinzip auch oral applizierbar ist [Carter BZ 2005]; pharmakokinetische oder pharmakodynamische Daten hierzu fehlen allerdings bisher. Für die meisten Mitglieder der Bcl2- und der IAP-Familie sowie für viele andere apoptoseregulierende Proteine ist ein möglicher Effekt auf leukämische Blasten noch gar nicht untersucht.

Arsentrioxid (As2O3) ist sehr effektiv, sowohl bei der unbehandelten als auch bei der nach vorangegangener Therapie mit ATRA rezidivierten APL (AML M3) [Niu C 1999]. Für As2O3 konnten viele verschiedene Effekte demonstriert werden, und es ist zurzeit nicht klar, welche dieser Effekte für die klinische Wirkung verantwortlich sind. As2O3 induziert die Apoptose, und verschiedene Mechanismen können zur Apoptose-Induktion beitragen: Die Expression von Bcl2 wird herunterreguliert, die Expression verschiedener Procaspasen wird gesteigert, und verschiedene Caspasen werden aktiviert; die Telomerase-Aktivität wird inhibiert, und As2O3 generiert intrazelluläres Wasserstoffperoxid, welches die innere Mitochondrienmembran zerstört, mit nachfolgendem Einstrom von Zytochrom C in das Zytoplasma [Hu J 2005]. Durch eine chemotherapiefreie Kombination aus As2O3 und niedrigdosiertem ATRA konnten bei 108 Patienten mit unbehandelter oder rezidivierter APL bessere Ergebnisse erzielt werden als mit einer Monotherapie mit As2O3 (65 Patienten) oder ATRA (51 Patienten), und zwar mit einer vergleichbaren und z.T. reduzierten Toxizität [Wang G 2004], was diese Kombinationstherapie zu einer sehr attraktiven Therapieoption bei der APL macht.

8.2.7 Ausblick

Aufgrund der Vielzahl möglicher therapeutischer Eingriffsmöglichkeiten und der rapiden Zunahme des molekularen Hintergrundwissens über die Leukämieentstehung kann diese Übersicht nur einen sehr kleinen Ausschnitt möglicher denkbarer Therapieansätze bieten. Therapieansätze, welche auf einer Modulation der Immunantwort beruhen, fanden keine Berücksichtigung; der interessierte Leser wird hierfür auf das Kap. 8.5 und andere Übersichtsartikel verwiesen [Robin M 2005]. Weitere mögliche Therapieansätze mit vielversprechenden In-vitro- und z.T. auch In-vivo-Daten, welche hier nur am Rande zitiert werden, sind z.B.:

Durch moderne Genom- und Proteomanalysen erwarten wir einen rapiden Wissenszuwachses über die Leukämogenese. Die Möglichkeit des Screenings von potenziellen Substanzen in funktionellen High-throughput-Analysen eröffnet in Zukunft ein ganzes Arsenal innovativer therapeutischer Optionen und wird uns dem Ziel einer der molekularen Heterogenität der AML angepassten spezifischeren und nebenwirkungsärmeren Therapie näher bringen.