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ATG vom Pferd im Vergleich zu ATG vom Kaninchen zur Behandlung der aplastischen Anämie
Titel des Originals: |
Horse versus rabbit antithymocyte globulin in acquired aplastic anemia. |
Jahr: |
2011 |
Original im Internet: |
New England Journal of Medicine 2011;365:430-8 |
Autor/en: |
Scheinberg P,
Nunez O, Weinstein B, Scheinberg P, Biancotto A, Wu CO, Young NS.
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Institution/en: |
Hematology Branch, National Heart, Lung, and Blood Institute, Bethesda, MD, USA |
Zusammenfassung des Berichts
In einer prospektiv randomisierten Phase-III-Studie zeigt das in den USA verfügbare Pferde-ATG im Vergleich zu Kaninchen-ATG ein besseres Ansprechen auf die immunsuppressive Therapie sowie auch ein signifikant besseres Gesamtüberleben.
Bericht über die Inhalte der Studie
Begründung, Rationale
Die schwere aplastische Anämie führt unbehandelt in den meisten Fällen zum Tode. Die wiederholte Beobachtung einer autologen Knochenmarkrekonstitution nach Abstoßung eines allogenen Transplantates wies frühzeitig darauf hin, dass die Medikamente aus der Konditionierung vor Transplantation selbst Aktivität zeigen, die für eine erfolgreiche Behandlung der aplastischen Anämie eingesetzt werden kann. ATG in Kombination mit Cyclosporin ist eine Standard-immunsuppressive Behandlung bei Patienten mit schwerer aplastischer Anämie ohne passenden Familien-allogenen Spender. Bei den ersten klinischen Studien durchgeführt in USA, Europa und Japan in den 80er- und 90er-Jahren wurde ATG vom Pferd als Prüfsubstanz eingesetzt. Kaninchen-ATG (Thymoglobuline) wurde 1999 in den USA zur Behandlung der Abstoßungsreaktion bei Nierentransplantation erstmals verfügbar. Ebenso konnte Kaninchen-ATG in der Rezidivtherapie zur Behandlung der aplastischen Anämie etabliert werden.
Fragestellung der Studie
Die Fragestellung der Studie lautet, ob Kaninchen-ATG dem Pferde-ATG überlegen sein könnte, weil eine solche Überlegenheit bei der Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantation gezeigt werden konnte. Ebenso deutet die Wirksamkeit der Behandlung mit Kaninchen-ATG in der Rezidivsituation bei aplastischer Anämie sowie die effektivere Depletion lymphatischer Zellen durch Kaninchen-ATG auf eine Überlegenheit in der Primärtherapie der aplastischen Anämie.
Primärer Endpunkt der Studie war Ansprechen auf die Therapie nach 6 Monaten, welches definiert war als Blutbildwerte, die die Kriterien für eine schwere aplastische Anämie nicht mehr erfüllen. Für dieses Kriterium wurde eine gute Korrelation zu Transfusionsfreiheit und Gesamtüberleben gezeigt. Sekundäre Endpunkte waren die Robustheit der hämatologischen Regeneration, Rezidivrate, hämatologisches Ansprechen nach 3 Monaten und jeweils einem Jahr, das Auftreten klonaler Erkrankungen und Gesamtüberleben.
Art der Studie
Randomisierte Phase-III-Studie
Behandlung, Protokolle, Durchführung bzw. Methode
Das Pferde-ATG (ATGAM®, Pfizer) wurde in der Dosierung von 40 mg/kg für 4 Tage, das Kaninchen-ATG (Thymoglobuline®, Genzyme) in der Dosierung von 3,5 mg/kg für 5 Tage eingesetzt. Cyclosporin wurde in der Startdosierung von 10 mg/kg/Tag in 2 Dosen (Kinderstartdosis 15 mg/Tag) angesetzt. Danach wurden Ziel-Talspiegel von 200 bis 400 ng/ml für eine Mindestdauer von 6 Monaten eingestellt.
Die Probandenzahl der Studie wurde kalkuliert auf der Basis der Ansprechrate nach 6 Monaten (primärer Endpunkt) von 60% für den Standardarm (Pferde-ATG). Auf der Basis eines zweiseitigen Signifikanzniveaus von 5%, einer 80%igen Power und einer Interimsanalyse (nach Erreichen der halben errechneten Probandenzahl) wurde errechnet, dass 60 Patienten pro Randomisationsgruppe erforderlich sind, um einen Unterschied von 25% bei der Ansprechrate nach 6 Monaten zu detektieren.
Ergebnisse, Toxizität
Insgesamt wurden 120 Patienten im Alter von 2 bis 77 Jahren in die Studie eingeschlossen und der Randomisation zugeführt. Im Hinblick auf demographische und klinische Unterschiede ergaben sich keine signifikanten Differenzen zwischen den beiden Gruppen. Das mediane Follow-up war 839 Tage (28 Monate) für alle Patienten und 891 (30 Monate) für die überlebenden Patienten.
Die hämatologische Ansprechrate nach 6 Monaten war 68% (95% Konfidenzintervall (KI) von 56-80) in der Pferde-ATG-Gruppe und 37% (95% KI von 24-49) in der Kaninchen-ATG-Gruppe mit einem p-Wert von <0,001. Die kumulative Rezidivrate nach 3 Jahren ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (21% in der Pferde-ATG-Gruppe und 14% in der Kaninchen-ATG-Gruppe). Alle Patienten erhielten nach Erleiden des Rezidivs eine erneute Immunsuppression.
Das Überleben der Patienten wurde zum Zeitpunkt der allogenen Transplantation zensiert. Somit ergab sich eine Überlebensrate nach 3 Jahren von 96% (95% KI von 90-100) für die Pferde-ATG-Gruppe und 76% (95% KI von 61-95) für die Kaninchen-ATG-Gruppe (p=0,04).
In der Pferde-ATG-Gruppe traten 4 Todesfälle auf, die bedingt waren durch intrazerebrale Blutung, Sepsis und Lungenkarzinom. Ein Patient verstarb bei der allogenen Stammzelltransplantation. In der Kaninchen-ATG-Gruppe traten 14 Todesfälle auf, 2 durch intrazerebrale Blutung, 3 durch Infektionen, 6 nach allogener Stammzelltransplantation, 3 durch nicht krankheitsbedingte Ursachen (Verkehrsunfall und unbekannte Gründe).
Das kumulative Auftreten klonaler Erkrankungen in der Pferde-ATG-Gruppe betrug 21%, in der Kaninchen-ATG-Gruppe 14%.
Eine schnelle Depletion der lymphatischen Zellen erfolgte mit beiden Medikamenten. Die Lymphopenie war nach Kaninchen-ATG jedoch deutlich verlängert. Die Zahl der regulatorischen T-Zellen (definiert durch das phänotypische Muster CD4+/ CD25+/CD127-) war in der Kaninchen-ATG-Gruppe deutlich niedriger.
Schlussfolgerung der Autoren aus der Publikation
Das Ergebnis der Studie war überraschend, weil für das Kaninchen-ATG ein höherer immunsuppressiver Effekt nachgewiesen werden konnte und deshalb eine bessere Wirksamkeit vermutet worden war. Diese Annahme ist offensichtlich nicht richtig. Somit muss angenommen werden, dass das klinische Ansprechen auf ATG in Kombination mit Cyclosporin nicht allein durch den immunsuppressiven (Lymphozyten depletierenden) Effekt, sondern zusätzlich durch stimulierende Effekte durch das betreffende ATG zustande kommt, wie hier durch das Pferde-ATG, das dem Kaninchen-ATG überlegen war.
Kommentar / Beurteilung
Autor des Berichts: |
Prof. Dr. med. Jörg Schubert |
Institution: |
Abt. Hämatologie, Onkologie und Hämostaseologie, Evangelisches Krankenhaus Hamm, Werler Straße 110, 59063 Hamm |
Letzte Änderung: |
13.01.2012 |
Ergänzende Informationen:
Three Immunosuppressive Treatment Regimens for Severe Aplastic Anemia Studie aktiv, Rekrutierung abgeschlossen (Stand 12-2011)
Literaturreferenzen:
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Scheinberg Ph, Wu CO, Scheinberg P, Weinstein B, Nunez O, Sloand EM, Young NS.
A Randomized Trial of Horse Versus Rabbit Antithymocyte Globulin In Severe Acquired Aplastic Anemia.
Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2010 116: Abstract LBA-4
[Abstract online]
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Dufour C, Bacigalupo A, Oneto R, Socie G, Tichelli A, Passweg JR, Risitano AM, Schrezenmeier H, Locasciulli A, Aljurf M, Marsh JC.
Rabbit ATG for aplastic anaemia treatment: a backward step?
Lancet 2011;378(9806):1831-3. PMID:21737135
[Medline]
-
Judith C Marsh, Gérard Socié, Hubert Schrezenmeier, Andre Tichelli, Antonio M. Risitano, Jakob R. Passweg, Carlo Dufour, Mahmoud Aljurf, Hazza A Al-Zahrani, Rosi Oneto, Philip Sedgwick, Barrois Alain, Shahram Kordasti, Modupe Elebute, Ghulam J. Mufti, and Andrea Bacigalupo.
Prospective Phase II Pilot Study of Rabbit Antithymocyte Globulin (ATG,
Thymoglobuline) with Ciclosporin for Patients with Acquired Aplastic Anemia and Matched Pair Analysis with Patients Treated with Horse ATG
(Lymphoglobuline) and Ciclosporin: A Study From the EBMT Severe Aplastic Anemia Working Party (RATGAA07)
Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2011 118: Abstract 2408
[Abstract online]
-
Passweg JR, Marsh JCW.
Aplastic Anemia: First-line Treatment by Immunosuppression and Sibling Marrow Transplantation.
Hematology. ASH Education Book December 4, 2010 vol. 2010 no. 1 36-42
[Artikel]
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Aktuelle Berichte vom 58th
ASH Annual Meeting 2016,
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2016 ASCO Annual Meeting - aktuelle Berichte. Dieser Service wird gefördert durch:
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Herausgeber: Prof. Dr. H. Link
Herausgeberbeirat: Prof. Dr. P. Albers, Prof. Dr. R. Andreesen, Priv.-Doz. Dr. A. Böhme, Prof. Dr. C. Bokemeyer, Prof. Dr. U. Creutzig, Prof. Dr. G. Ehninger, Prof. Dr. M. Freund, Prof. Dr. C. Garbe,
Dr. N. Gökbuget, Prof. Dr. M. Hallek, Prof. Dr. J.T. Hartmann, Prof. Dr. R. Hehlmann, Prof. emerit. Dr. H. Heimpel, Prof. Dr. A. Hochhaus, Prof. Dr. K. Höffken, Dr. G. Hübner,
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Prof. Dr. G. von Minckwitz
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