Titel des Originals: | |||
Rivaroxaban Versus Fondaparinux in the Treatment of Superficial Vein Thrombosis - the SURPRISE Trial |
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Abstract-Nr.: |
85 | Jahr: |
2016 |
Original im Internet: |
Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2016 128: Abstract 85 | ||
Autor/en: |
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Jan Beyer-Westendorf, MD1, Sebastian Schellong, MD2*, Horst Gerlach, MD3*, Katja Jersemann4*, Eberhard Rabe, MD5*, Kurtulus Sahin6* and Rupert Bauersachs, MD, PhD7 |
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Institution/en: |
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1Center for Vascular Diseases, Division "Thrombosis Research", University Hospital "Carl Gustav Carus", Dresden, Germany; 2Municipal Hospital Friedrichstadt, Dresden, Germany; 3Private Office for Vascular Diseases, Mannheim, Germany; 4GWT-TUD GmbH, Dresden, Germany; 5University of Bonn, Bonn, Germany; 6ClinStat GmbH, Cologne, Germany; 7Klinikum Darmstadt GmbH, Darmstadt, DEU |
Rivaroxaban ist bei der Therapie oberflächlicher Venenthrombosen der etablierten Behandlung mit Fondaparinux nicht unterlegen.
Die CALISTO-Studie [Decousous H 2010] hatte die gute Wirksamkeit von Fondaparinux (2,5 mg tgl. s.c. für 45 Tage) bei oberflächlicher Venenthrombose (Superficial Vein Thrombosis = SVT) gezeigt und dies als bisherigen Therapiestandard etabliert. Fondaparinux ist jedoch teuer und erfordert tägliche Injektionen. Rivaroxaban ist einer der neuen Faktor Xa-Inhibitoren. Rivaroxaban kann oral gegeben werden, es ist preiswerter als Fondaparinux und wird bereits seit mehreren Jahren bei der Therapie tiefer Venenthrombosen erfolgreich eingesetzt.
Diese Studie sollte prüfen, ob Patienten mit Hochrisiko-SVT genauso wirksam und sicher mit Rivaroxaban behandelt werden können wie bisher mit Fondaparinux.
Randomisierte multizentrische Studie, unverblindet bzgl. der Therapie, verblindet bzgl. des Outcomes..
Die Studie beschränkte sich auf SVT-Patienten mit hohem Risiko, d.h. SVT oberhalb des Knies (keine SVT des Unterschenkels) plus einem der folgenden Risikofaktoren:
Die Patienten wurden randomisiert zu:
An diese Behandlungsepisode schloss sich eine Nachbeobachtungsphase von 90-100 Tagen an.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war während der Therapiephase (bis Tag 45-50) die Kombination von:
Der primäre Sicherheitsendpunkt war das Auftreten schwerer Blutungen (nach ISTH) während der Therapiephase (d.h. bis Tag 45-50). Weitere Parameter waren das Auftreten der o.g. Ereignisse bis Tag 90-100 (Ende der Nachbeobachtungsphase), die Häufigkeit chirurgischer SVT-Behandlungen und die Häufigkeit schwerer venöser Thromboembolien (d.h. symptomatische venöse Thrombose und/oder symptomatische Lungenembolie und/oder Thrombose/LE-bedingter Todesfall).
Die Studie war als Nicht-Unterlegenheitsstudie konzipiert.
472 Patienten wurden randomisiert (mittleres Alter 60,3 Jahre, davon 60,4% Frauen) und mit Rivaroxaban (n=236) oder Fondaparinux (n=236) behandelt. Die mittlere Behandlungsdauer mit Rivaroxaban betrug 44,0 Tage, mit Fondaparinux 44,8 Tage.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt (= Kombination von tiefer Venenthrombose, LE, Progression der SVT, neue SVT, Tod) trat bis Tag 45-50 bei 3,3% der Rivaroxaban-Patienten auf (95%-KI 0,90; 5,73) und bei 1,8% der Fondaparinux-Patienten ein (95%-KI 0,05; 3,52) - (absolute Differenz Rivaroxaban vs. Fondaparinux 1,53%; "one-sidedupper CI limit" 4,03%; p=0,025 für Nicht-Inferiorität).
Bis Tage 90-100 trat der Wirksamkeitsendpunkt bei 7,1% der Rivaroxaban und bei 6,7% der Fondaparinux-Patienten ein (absolute Differenz 0,41%; "one-sidedupper CI limit" 4,41%; p=0,047 für Nicht-Inferiorität).
Es kam zu keinen schweren Blutungen in beiden Gruppen.
Die Zahl nicht-schwerer, aber klinisch relevanter Blutungen betrug 2,5% mit Rivaroxaban und 0,4% mit Fondaparinux und Tag 45-50 und 2,5% vs. 0,9% und Tag 90-100.
Die Adhärenz lag für Rivaroxaban bei 98,9 ±13,4% (Pillcount) und für Fondaparinux bei 99,3 ±6,2% (Syringecount).
Bei Hochrisiko-SVT-Patienten war Rivaroxaban der Standardtherapie mit Fondaparinux nicht unterlegen, auch die Sicherheit war vergleichbar. Es kam unter Rivaroxaban im Wesentlichen zu SVT-Rezidiven, während tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien selten waren. Dies zeigt außerdem, dass eine 45-tägige Therapie mit Rivaroxaban oder Fondaparinux zur Verhinderung dieser schweren Komplikationen bei Hochrisiko-SVT-Patienten ausreicht. Lebensqualität war kein Parameter dieser Studie und ob Rivaroxaban diesbezüglich und im Vergleich zu Fondaparinux besser ist, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen. In dieser Studie war die Komplikationsrate (primärer Endpunkt) höher als in der CALISTO-Studie. Das mag daran gelegen haben, dass nur Patienten mit hohem Rezidiv-Risiko eingeschlossen wurden. Es ist also möglich, mit den angegebenen Risikofaktoren SVT-Patienten mit besonders hohem Rezidiv-Risiko zu identifizieren. Ob man bei Patienten ohne diese Risikofaktoren allerdings auf eine Antikoagulation verzichten kann, muss noch untersucht werden.
Die Studie stellt eigentlich zwei Fragen:
1. Ist Rivaroxaban bei SVT dem bisherigen Standard Fondaparinux gleichwertig?
2. Gibt es SVT-Patienten mit einem besonders hohen Rezidiv-Risko?
Die erste Frage kann mit JA-ABER beantwortet werden. JA, weil die Nicht-Unterlegenheit gezeigt werden konnte, somit ist zumindest statistisch Rivaroxaban nicht schlechter als Fondaparinux. ABER, weil die absolute Zahl thromboembolischer Ereignisse mit Rivaroxaban doch durchweg etwas höher war, wenn auch statistisch nicht signifikant. Ob die Studie als Zulassungsstudie für die Indikation "Therapie der SVT mit Rivaroxaban" den Zulassungsbehörden ausreichen wird, kann man wegen der kleinen Fallzahl nicht vorhersehen. Doch der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit plus der niedrigeren Kosten von Rivaroxaban plus der Möglichkeit der oralen Therapie wird wahrscheinlich ausreichen, dass Rivaroxaban bei der Therapie der SVT im Praxisalltag einen "Fuß in die Tür bekommt".
Die zweite Frage ist schwieriger zu beantworten. In der SURPRISE-Studie waren ca. 7x mehr Patienten mit Thrombosen und Embolien in der Voranamnese und ca. 5x mehr Patienten mit Tumorerkrankung als in der CALISTO-Studie. Die höhere Rezidivrate im Vergleich zur CALISTO-Studie spricht für die Sinnhaftigkeit der genannten Risikofaktoren. Aber was machen wir mit diesem Wissen? Sollen wir diese Hochrisiko-SVT-Patienten länger antikoagulieren? Soll man eine höhere Dosis geben? Der Autor dieses ONKODIN-Reports wird nicht länger antikoagulieren, solange das Rezidivrisiko im einstelligen Prozentbereich liegt. Er wird aber seine Patienten über ihr erhöhtes Risiko eine SVT-Progression/Thrombose/Embolie zu erleiden aufklären, sowohl unter der Therapie mit Antikoagulanzien als auch nach deren Absetzen an Tag 45. Er wird ihnen die Symptome beschreiben und sie auffordern, sich sofort zu melden, wenn diese Symptome auftreten.
Autor des Berichts: |
Prof. Dr. med. Axel Matzdorff |
Institution: |
Asklepios-Klinikum Uckermark, Medizinische Klinik II (Hämatologie, Onkologie, Gastroenterologie, Nephrologie, Palliativmedizin), Auguststr. 23, 16303 Schwedt |
Letzte Änderung: |
14.12.2016 |
Decousus H, Prandoni P, Mismetti P, Bauersachs RM, Boda Z, Brenner B, Laporte S, Matyas L, Middeldorp S, Sokurenko G, Leizorovicz A; CALISTO Study Group.
Fondaparinux for the treatment of superficial-vein thrombosis in the legs.
N Engl J Med 2010;363:1222-32. PMID:20860504
[Medline]